Samstag, 23. Januar 2010

Das öffentlich-rechtliche Gedächtnis

Mancher würde sagen, der letzte Rundfunkstaatsvertrag wäre als Thema nichts Neues. Dem muss entgegnet werden, dass die schleichende Einführung des selbigen in 2010 bald nichts Altes mehr ist. Welcher Verleger hat uns nur ins Hirn geschissen?


Habe das Gefühl, die ZDF-Mediathek versucht seinen Nutzern bereits beizubringen, dass es in Zukunft nur noch die Sendungen der letzten 7 Tage bereitstellt. Die Kategorie "Sendung verpasst?" orientiert sich bereits an der zukünftigen Wochenfrist für das Online-Programm der öffentlich-rechtlichen. Großereignisse dürfen - wahrscheinlich auch trotz der Vertragsfreiheit und möglicher Verbreitungslizenzen - nur noch 24 Stunden online sein. Obendrauf werden auch alle jemals von Gebühren finanzierte Inhalte "überprüft", ob sie weiterhin online bleiben dürfen. Das Gedächtnis unserer Non-profit-Qualitätsmedien wird gelöscht. Warum?

Da wird eine komische Wettbewerbsvorgabe aus Brüssel zur indirekten Subvention für schlechte Magazine, nennen wir sie tendenziöse Geschichtenverkäufer, die so schwach und ohne zukunftsträchtiges Geschäftsmodell sind, dass sie die Konkurrenz im Netz fürchten. Sie finden es unfair, dass viele Deutsche sich in einem Medienclub organisiert haben, dem sie über eine Organisation namens 'GEZ' ihre Abo-Zahlungen zukommen lassen. Leider haben die privaten Geschichtenverkäufer nie ihren gesellschaftlichen Nutzen derart beweisen können, dass sich ausreichend große Gemeinden um sie herum versammelt hätten, um den Besitzern der Unternehmen genügend Gewinn zu beschehren - wie auch immer 'genügend' heutzutage definiert wird.

Das Recht auf Gewinn in jeder Branche in jedem Land der EU sichert aber nunmal die EU-Komission als Wettbewerbshüterin. Dass gerade dieser Wettbewerb ein qualitativer sein könnte, geht in den Markt-Analysen der europäischen Kartellbehörde (EU-Komission) anscheinend verloren. Die Interessen so mancher Recht- und Geldnazis verhindern wohl, dass über den Verdacht der Subvention einfach mal als gewollte Förderung berichtet wird. Man muss hier gar nicht das Springer-Schreckensbild an die Wand malen: Wir gönnen uns in Deutschland einen unabhängigen Journalismus auch im Netz und sollten dazu stehen. Dieser von uns bezahlte Journalismus soll ein Gedächtnis haben - Seit wann haben Ideen, Themen und Debatten nur einen Lebenszyklus von 7 Tagen?

Europarechtlich kann streng genommen nur ein Markt-Monopol und die Nutzung dieser Stellung zum Einstieg in andere Bereiche einen Eingriff rechtfertigen. Dass unsere ÖR eher über einen allgemeinen Auftrag und nicht über detaillierte Zweckbindung der Gelder funktioniert, fordert einem Rechtsmenschen wohl zuviel Fantasie ab. Vielleicht sollten wir die ÖR in eine Stiftung umwandeln, damit es begreifbarer wird. Die Subventionierung unserer Daseinsfürsorge oder gar deren Sicherung kann jedoch kein europäisches Gericht verurteilen - besonders, wenn außerdem der Begriff 'Kultur' in diesem Kontext endlich mal aktiviert würde. Für diese existiert nämlich in jedem europäischen Vertrag eine Ausnahme. Wenn die ÖR nicht an unserer nationalen Kultur teilnehmen würden, wären sie längst abgeschafft. Ihre Leistung und ihre Sendungen gehören - auch wenn das Manchem jetzt weh tut - zu diesem Land. Fazit: Alles ist rechtlich möglich, es scheitert am politischen Willen.

Aber mal wirklich: Es gibt wirklich wenige Bereiche, in denen ein Wettbewerb und die Konkurrenz so frei sind, wie in unserer zukünftigen Medienwelt. Wo sonst kann ein Einzelner mit wenig Aufwand Geschichten schreiben und verbreiten? Man wird die Vermutung nicht los, dass die Verlage einfach keine "Eier" (Kahn) mehr haben, an ihrem Arbeiten zweifeln, es anscheinend schon aufgegeben haben, in Konkurrenz zu treten. Wieso sollte man solchen Mimosen einen wettbewerbsfreien Raum ermöglichen, wie sie ihn sich anscheinend erträumen? Auch die Schlechten dürfen mal Fußball spielen, klar. Aber dafür die Qualität des ganzen Spiels aufs Spiel setzen? Nur weil jemand Geld verdienen möchte? Ihr armen bürgerlichen Subjekte in den Pressehäusern habt Eure Bedeutung als Meinungsmacher verloren, heult nun rum und wollt die Moderne bekämpfen indem ihr dem Öffentlich-rechtlichen das Gedächtnis klaut? Gesellschaftliche Relevanz sieht anders aus.

Seit wann tragen wir alle die Verantwortung für funktionierende Geschäftsmodelle? Seit wann muss die EU-Komission Versorgungslücken für Privatunternehmen organisieren? Nennen wir es beim Namen: Es wird ein weiterer Sektor öffentlicher Versorgung privatisiert. Die bürgerlichen Subjekte in den Verlagen wünschen sich zumindest Ordnung in ihrem Sinne. Halt das, was die Nationalökonomen bis einschließlich Hitler immer schon versucht haben..

Eure Vormoderne ist vorbei, Suckers!

Zeit: Ein Samstag Morgen, der sich wie Sonntag Abend anfühlt.
Zustand: Kopp schwer überfordert.
Anlass: kann den Presseclub (nicht den von Morgen!) nicht finden :(

1 Kommentar:

  1. Es geht in eine neue Runde. Die ÖR haben sich dem vereinbarten Drei-Stufen-Test unterzogen und ihre Internet-Angebote abgesegnet. Die Verlage merken, dass sie nicht genügend Kontrolle bzw. Verbote gegen die ÖR durchgesetzt haben. (Die Archiv-Einschränkungen bleiben für die ÖR natürlich Fakt.) Und jetzt kommt die Polemik wieder in Schwung:

    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,707918,00.html

    Dass die Zeiten der roten Zahlen bei den Online-Ablegern vorbei sind, führt dieser Artikel auf:

    http://www.indiskretionehrensache.de/2010/07/wie-verlage-im-internet-geld-verdienen-update/

    Aber die Polemik muss trotzdem bleiben!

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Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen kritischen Leser in der Auseinandersetzung 'back to their own track' zu kommen. Man beachte hierbei, dass der Kontrollverlust Teil des hiesiegen Konzepts ist. Wir geben uns also zwangsläufig viel Mühe, Kommentare zu provozieren: so hat möglicherweise jeder was von den Drogen! Welcome!

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Als Quelle ist immer "drunken news" zu nennen.

Glücklicherweise war das Weblog, das diesem Verfahren ausgesetzt war, bereits mit einer cc-Lizenz ausgestattet.

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