Seien wir mal ehrlich: Wir werden alt. Jeden Tag. Wir erleben es jedoch nicht tageweise. Ein Tag ist für uns immer etwas Stabiles. Ich, der ich gerne spät abends noch irgendeine Inspiration mit stürmendem und drängendem Verve in die Tasten hauen möchte, habe da eine andere Perspektive. Drunken News ist der ultimative Alterstest.
Viele denken bei 'Alter' an ihren Körper, der seine Prallheit und jungfräuliche Aura verliert. Manche messen Alter vielleicht auch in Besitz im Sinne von jetzt habe ich mein eigenes sowieso oder in Verantwortungsrollen in die sie gedrängt werden. Doch was ist eigentlich mit der Fähigkeit, Neues zu denken? Gibt es dort nicht auch einen Kampf zwischen Reife und Gleichgültigkeit/Undifferenziertheit, zwischen Denkmustern und der eigenen Rockbarkeit, zwischen Mut, Demut und Depression, zwischen Sendungsbewusstsein und deduktiver Einordnung des eigenen Ichs? Ja. Und dies ist der entscheidende Kampf, denn gegen das Alter unseres Körpers können wir trotz der Verlautbarungen der Beauty-Industrie nichts machen.
Ein einziger Tag kann einen in diesem Kampf altern lassen. Die Erfahrung dieser Welt wird gestimmt. Die kreativen Schlüsse können sich in ihrer Geste ändern - genau diesen Test fahre ich auf Drunken News, wenn ich spät abends oder nachts diese Welt unter-ordne und mir keine Nüchternheit erlaube. Das Kopfalter entscheidet, ob man in Ausnahmezuständen (z.B. Trunkenheit) noch von Einflüssen gestimmt werden kann und selbst noch singt. Dies ist der exemplarische Kampf zwischen Äußerem Einfluss und eigener Handlungsfähigkeit.
Die Frage der Stetigkeit, der Stabilität von Haltungen muss jedoch nicht pauschal mit Alter gleichgesetzt werden. Ich sehe z.B. ‚Reife’ nicht als das Ende des Zeitstrahls, sondern als kurze Zwischenphase, in der man dieser Welt eine neue Eröffnung zulässt, in der der Blick der Welt fair und differenziert begegnet. Es gibt danach noch etliche Stadien unseres Hirns als reife Frucht, die ich nicht als stabil, sondern als Verfall bezeichnen würde.
Auch ‚Denkmuster’ an sich müssen kein Alter bedeuten. Die Formung unserer Gedanken und die Form an sich sind wichtige Bedingung für produktives Denken. Das Denkmuster kann dort ein schöner Ausgangspunkt sein, solange man es als eines von vielen erkennt und man sich der 'Geste' des eigenen Tuns bewusst ist.
Mut und Sendungsbewusstsein wiederum sagen das Meiste über unser Alter unabhängig vom Körperlichen aus. Der selbstherrliche Griff des Ebenbildes Gottes nach einer Theorie dieser Welt und nach einem Handeln, das über die tierische Fortpflanzung und das Essen hinausgeht, ist allzeit Gradmesser. Hierbei kommen mal alte Theorien zum tragen, mal neue Gedanken hinzu, doch es ist immer der Griff nach dem eigenen Kopf. Nur der forsche ist Forscher, nur wer flexibler als das Archiv ist, einen Kopf jünger.
Um mal eine Metapher zu nutzen: Die Welt ist wie Strom, der über unsere Sinne durch unseren Kopf fließt. Es gibt Menschen, die lassen sich überwältigen von dem Ein-Fluss, es gibt Menschen, die lassen sich nicht mehr elektrisieren und produzieren dadurch kaum noch neuen Aus-Fluss, eine tote Leitung quasi. Die einen nennen wir jung, die anderen alt. Wer es schafft, sich hinzugeben und auch noch Neues auszugeben ist ein Künstler und möglicherweise zeitlos.
Mir fällt es immer schwerer, meine Zustände mir überzuordnen, um zu denken. Ganz heimlich sehne ich mich danach, ein Deadend zu sein. Allein daran spüre ich, wie alt der Tag mich gemacht hat.
Zeit: täglich
Zustand: schreibe betrunken über's Altwerden.. sagt alles. :)
Anlass: Einen Kopf jünger, bitte...
DISKURS: Kant zu Moral, Natur und Freiheit
vor 4 Tagen
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Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen kritischen Leser in der Auseinandersetzung 'back to their own track' zu kommen. Man beachte hierbei, dass der Kontrollverlust Teil des hiesiegen Konzepts ist. Wir geben uns also zwangsläufig viel Mühe, Kommentare zu provozieren: so hat möglicherweise jeder was von den Drogen! Welcome!