Montag, 25. Juli 2011

Die Anstrengung des Freiraums

Was sind eigentlich Freiräume in unserer Gesellschaft? Warum gibt es sie? Warum wurden sie bisher nicht gefüllt? In der Biologie wird uns nahegelegt, dass Nischen einen erheblichen Teil zur Evolution beigetragen haben. Sind Freiheiten bei uns Menschen so etwas wie ein Privileg oder eine Notlösung für die Ausweichenden? Oder doch ein Spielraum für die Zukunft?

Es ist dieses spannende Verhältnis zwischen Zwang und Entwicklung, das in unserer Zeit durcheinander geraten ist. Zumindest wird es wohl inzwischen von uns falsch wahrgenommen, falsch gewichtet: Die Welt erscheint einseitig ein Ort voller abstrakter Nötigungen, die manche als Kapitalismus beschreiben, andere in "Diskursen" suchen oder in "Systemen" als unserer Welt vorgängig überhöhen. Mal geht es um Schuldige, mal um diffuse Mikropraktiken, mal um Allzeit Stabilität in kruden kybernetischen Kreisläufen. Die meisten Großtheorien der Nachkriegszeit haben zumindest ein extrem pessimistisches Verhältnis zur Freiheit des einzelnen. (die Ausnahmen gibt es. Sie waren in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch marginal)

Im Zuge dieser Ideen einer stabilen Ordnung wurden 'Freiräume' zu Luxus, zu einem Privileg und als eine Art Gut in den Konsum abgedrängt. Es galt, in den fixen Rollenverteilungen die priveligierten Plätze zu ergattern, die dann Freiräume im Konsum ermöglichten - sei es im Staatsdienst oder in Unternehmenshierarchien. Hierbei konnte Frei-'Raum' tatsächlich manchmal wörtlich werden: Das teure, ferne Urlaubsziel als außerhalb des gewohnten Raums voller sozialer Zwänge, das eigene Anwesen mit Garten oder auch schlicht freie Zeit. 

Der Freiraum war somit etwas, dass man dem Leben im System abtrotzte. Er war Ausnahme und Privileg und in Zeiten der Vollbeschäftigung doch sehr normal. Avantgarde konnte in dieser satten Situation nur als Spleen erscheinen: Kunst musste schön sein und etwas mit Landschaftsmalerei zu tun haben.

Soviel zum damals. Auch heute besitzen wir Freiräume. Ungenutzte Freiräume. Wir haben alle Mittel im Überfluss. Wir sind alle verbunden. Doch die  Freiräume sind in unserer Zeit zum Zugzwang mutiert: die Selbstverwirklichung, die unsere Eltern uns in die Wiege geflüstert haben, traf auf eine Zeit in der Wirtschaftskrisen immer mehr Menschen aus dem alten System drängten. Der freie Selbstentwurf, der unseren Eltern noch als Traum genügte, ist heute ein harter Zwang zur Nische auf dem Arbeitsmarkt. Wir sind gezwungen, uns neu zu erfinden; wir haben meist keine Lust mehr, dies auch noch in unserer dürftigen Erholungszeit zu tun. Wieder wurde die Avantgarde der Allgemeinplatz 'Freiheit' beraubt. Die Postmoderne fordert Kontemplation im Normalen als Gegengewicht zum Kreativzwang. 

Evolution erscheint uns in diesem Licht nicht gerade wie ein Wunschkonzert. Die Existenz von Nischen bedeutet meist Verdrängung und nicht Kreation: hier unterscheiden wir uns von der Tierwelt leider nur in der Geschwindigkeit der Entwicklung. 

Die Freiheit liegt wie eine Lähmung über dem Land. Ich habe manchmal Angst, ich könne Mitmenschen mit Selbstironie überfordern. Ich sehe Personen, denen jeglicher nicht-materieller Enthusiasmus abhanden gekommen ist, die traumatisiert die Welt nicht mehr Be-greifen wollen. Ich sehe Freiräume und Kreativität, die in Überstunden versickern. Ich sehe erschöpfte Denker, die keine Verantwortung mehr für die Zukunft dieser Welt übernehmen können. Ich sehe die Lumpen-Avantgarde.

Zeit: Freiraum
Zustand: überbrücke das Warten mit Wein und Text
Anlass: Mobilisierungsfragen

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