Sonntag, 20. Januar 2013

Botenhelden


Mich langweilen sie manchmal, die Neuigkeit und der Erkenntnisgewinn. Sie sind zusammen die typische Geste der meisten Schriftbeiträge, die einem im Netz entgegenfallen. Etwas passiert. Es wird daraus auf das Große geschlossen. Müssen wir jetzt alle…? Kann man noch von diesem oder jenem sprechen…? Hat sich die Welt verändert…? Ja natürlich. Was für eine Nachricht. Wir leben in der späten Moderne, Baby.

Ich halte solche Omen-Texter immer häufiger für geistig zurückgeblieben. Wer bei jedem Fitzel Information weit die Augen aufreißt, für den hat dieser Akt entweder etwas ganz und gar Erotisches, oder er hält seine Naivität für heroischen Forscherdrang. ‘Zeichen’ deuten nur die Huren eines Gottes, die hinter allem weiter die Gesamtheit einer Welt mit Plan vermuten. Liebe Boten und ehrfürchtige Helden: Willkommen in der Renaissance.

Diese Geste, am Puls der Zeit zu sein, gar ihr klügster Spontan-Interpret, ödet gerade mich an? Ja. Es ist der klassische Job einer PR-Agentur, die mit jedem Nachrichtenwert die Welt wieder auf ihr Unternehmen münzt. Ein Putzjob für die eigenen Ego-Interessen, gefährdete Selbstkonstruktion. Vielleicht wird einigen der Spruch “The medium is the message.” nie erklärt, die Geste des interpretierenden Handelns ist zumindest reine Verzweiflung, denn sie ändert nichts, wenn man Mechanismus eines medialen Spektakels ist.

Als Empath empfinde ich dieses Handeln als Blase, als verkrampfte Routine getrieben von frühen Kommentaren der Konkurrenz, als künstlich bemühtes Lächeln in die vielen Sendekanäle der neuen Kommunikationsteilnehmer. Als sei die reine Verwurstung und Niederschrift eines Nachrichten-Ereignisses bereits gelassene Selbstironie, die Souveränität eines modernen Menschen. Die Katharsis als Erlösung. Mitnichten. Die Überforderten hoffen es wohl weiterhin.

Nein, ich mag zwar manche Verschwörungstheoretiker dieser Welt nicht, aber ihr Misstrauen bei jedem angeblichen Fakt, der uns begegnet, zeugt auch von einer langsamen Theorie dieser Welt. Fast schon zu beneiden sind diejenigen, die längere Linien in dieser Welt erkennen, länger als Fünftagewochen. Denn die Nachricht an sich ist keine Neuigkeit, Nein, diese Zeiten sind vorbei. Erkenntnisgewinn ist auch kein Update mehr, aus einer Neuigkeit entwickelt sich kein neuer Ausgangspunkt und ich weigere mich zudem, dies zu behaupten. Aus Wissen muss sich Handeln schöpfen, nicht immer neues Wissen. Die Bereitschaft, mit Taten einzustehen für Dinge, mehr als der wohlig moderne “Es bewegt sich irgendwas in dieser Welt“-Schauer beim Kaffee am Frühstückstisch.

Die Flöße auf dem reißenden Nachrichtenfluss, die bei jeder Stromschnelle an Theorien eines kommenden Wasserfalls basteln, langweilen mich nicht nur: Ich will sie fallen sehen. Unpolitisches Gesocks, das nur noch spricht und sich für die Moderne hält. Ich zweifele an eurer Konsequenz. Shoot the messenger if  it’s his only profession!

Zeit: nicht mehr neu
Zustand: angetrunken (auch nicht mehr neu)
Anlass: Mal wieder was neues schreiben ohne Nachrichten.

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