Mittwoch, 6. April 2011

Meine nostalgische Moderne

Habe ein komisches Gefühl mit der Moderne. Nicht immer, sondern neuerdings. Ich bin kein Mensch, der sich an der Vergangenheit orientiert - und gerade darin scheint das Problem zu liegen. Ich habe ein komisches Gefühl der Enttäuschung, das gerade nicht nostalgisch ist. Es betrifft das Öffentliche und eine Teilhabe, die sich eher an Reichweite orientiert.

Wenn man sich die ersten Empathen der modernen, technisch beschleunigten Welt, wie Baudelaire, Walter Benjamin und Surrealisten anschaut, so findet man immer eine Ambivalenz zwischen trauriger Nostalgie über das veränderte städtische Leben, die Entfremdung und die unterdrückte eigentliche Wahrheit des Unterbewussten und dem entgegen freudiger Aufnahe moderner (Medien-)Techniken und fortschrittlicher Entwicklungen. Diese Spannung der Moderne wurde durchlebt, persönlich ertestet und aufgeschrieben, der einzelne Mensch als körperlich-seelischer Gradmesser der sich verändernden Welt der Stadt.

Seit dem 2. Weltkrieg wachsen nun Generationen mit dem Geist auf, dass das Früher nicht besser war, und wir polten unsere Hoffnungen auf die Zukunft. Es gab keine Gründe mehr für nostalgische Gefühle bzw. es war sogar political incorrect sich nach Kaiser, Hindenburg und Hitler zu sehnen. Die Spannungen der Moderne bleiben jedoch, und das Sehnen kann sich nur noch auf die Zukunft beziehen - oder sehnt sich der ungeneigte Leser etwa wieder die 80er oder 90er herbei? Lag dort irgendein modellhafter gesellschaftlicher Moment, an den man gerne zurückdenkt? Wenn ja, so sind wir doch nicht geneigt, ihn als endgültige Lösung der Moderne zu überhöhen. Es geht immer weiter.

Ich für meinen Teil bin nostalgischer Idealist. Ich sehe das Mögliche und bin über das Tatsächliche enttäuscht - und das Mögliche ist nie eine Vergangenheit. Die Teilhabe am Weltgeschehen ist hierbei ein Wunsch, mit dem ich nicht alleine bin, schaut man sich die Twitter-Timelines an. Seien es Ägypten, Japan, Lybien oder rechtskonservative Innenminister: Wir wollen unser Unbehagen mit den Umwälzungen dieser Welt (die nicht mehr unbedingt einen urbanen Bezugsraum wie früher haben) durchleben, persönlich ertesten und aufschreiben.

Doch unser körperlich-seelischer Bezug zur Moderne wird marginalisiert, unsere individuelle, phänomenologische Wirklichkeit im ewigen Strom der Nachrichten unbedeutend. Gerade das Microblogging zeigt doch den Rückzug des literarischen, des ausführlichen Selbst. Wir sind auf der Jagd, die beste kurze Headline zu sein und können nur noch nach Reichweite streben. Dieses Sehnen verstört mich und läst mich hoffen zu gleich. Und doch bin ich idealistisch enttäuscht, denn die Teilhabe und die Kommunikation ohne zwanghafte Reichweitensucht lässt die Welt noch vermissen. Wir nehmen uns nur noch als Nachrichtenträger ernst.

Zeit: Timline
Zustand: Bier hilft nicht immer weiter
Anlass: idealistische Nostalgie

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