Gerade mal wieder Led Zeppelin aufgelegt (viel zu selten!) und begehe den Abend etwas nostalgisch. Mein staunen über die Welt von damals Mitte der 90er hält an. Ich sehe immer noch klar die Unkenntnis der Passanten und Begleitmenschen meines Alltags; sie haben die Kenntnis des Menschen immer aufgeschoben, auf das nötigste reduziert, getrieben von ihren letzten Chancen, einmaligen Chancen. Alle hatten sie ihre 'alternative Phase', ihre Rockstars, ihre Lagerfeuer. Wo sind diese Menschenkenner geblieben, die in die Menschen Zeit investierten, local dachten? Social Media spielt hier sicher seine Rolle...
Das Soulfood liegt nicht mehr auf der Straße und im Netzwerk riskiert man keine Freunde mehr, wenn man sich seiner Karriere widmet. Es gibt sogar Menschen, die sich in ihrem Leben mit eine eigenen Wohnung begnügen - bis zum Ende! Die Arbeit hat sich geschickt in unserer offenen Welt als Selbstzweck ins Spiel gebracht. Ich kenne Menschen, die ihre Familie mit Unternehmen ausgetauscht haben. Und man wartet weiter darauf, dass sie sich entschließen, weise zu sein. Ich kann es mir nicht anders - wer die letzten Postings gelesen hat ahnt was nun kommt - als mit der Zeit erklären.
Das Spektakel ist eine Meisterin des Rhythmus und wackelt mit faszinierenden Hüften durch unsere Medienwelt. Ich glaube nicht, dass die Attraktionen wirklich zugenommen haben: dies wäre in phänomologischer Betrachtung glaube ich nicht haltbar. Auch früher hat das Leben schon Ablenkungen bereitgehalten. Es hat sich jedoch die Penetranz des Tanzes erhöht und der Bauchtanz kennt inzwischen unsere Aufmerksamkeitsspannen und weiß mit schnellen Wendungen den Hasen bei Laune zu halten.
Diese eher erotische Darstellung ist nicht unabsichtlich gewählt: Wer glaubt, der Begriff 'Fetisch' käme aus der Pornoindustrie hat wahrscheinlich nur noch auf Bachelor Geisteswissenschaften studieren dürfen. Es gibt Waren mit Nutzwert wie Schuhe. Es gibt Menschen, die schreien, wenn sie ein weiteres Paar Schuhe bekommen. Das soll als Exkurs reichen. Aber hat das Soulfood auch etwas mit Zeit zu tun?
Ich belasse es bei dem Bild von oben: Wer nimmt sich die Zeit für etwas so sinnloses, wie ein Lagerfeuer? Widmet man sich noch dem ergenisoffenen Gespräch mit seinem ereignislosen Sitznachbarn? Der Zweck, das Ziel hat sich in unsere Mikroalltäge eingeschlichen. Diese Dauerbeschallung unseres Handelns mit Egoismen, mit nötigen Ausschlüssen von störenden Objekten - und seien sie Menschen - hat uns nicht gut getan. Und das alles nur, um mehr Geld für mehr Luxusobjekte zu haben. Aber nicht schlimm, solange es keine Profiteure gibt, die sich global absetzen... Spektakel und Soulfood müssen sich wieder bekämpfen! Handeln hat immer etwas mit Entscheidungen zu tun. Ich hoffe, diese Dimension wird wieder mehr Menschen bewusst.
Zeit: nach der Arbeit ist vor der Arbeit
Zustand: entspannt nostalgisch
Anlass: Sie wollen etwas mehr... und tanzen dafür das Schachbrett.
DISKURS: Kant zu Moral, Natur und Freiheit
vor 4 Tagen
Ich teile eine Menge Deiner Beobachtungen, jedoch wo sind die Schlussfolgerungen? Kritik an bestehenden Verhältnissen ist kein Selbstzweck. Der Unterschied zwischen Pubertät und sozialen Bewegungen besteht meines Erachtens darin, dass letztere eine Vision haben, die sie zu verwirklichen trachten, während erste nur eine Antihaltung und Verachtung enaktieren, die so typisch für eine bestimmte Lebensphase ist. Was also kannst Du den Menschen über die Du hier urteilst als Alternative offerieren, die sie davon abhalten könnte, ihr "Heil" in der gentrifizierten Konsumkultur zu finden?
AntwortenLöschenMFG,
Shab
Soulfoodberatung! Yeah! Das wollte ich immer schon mal machen :)
AntwortenLöschen(musste gerade erstmal nachlesen, was ich gestern schnell hingeschrieben habe)
Deine Frage ist klug gestellt, da sie nur teilweise vom Schluss her denkt. Die 'Schluss-Folgerung' ist natürlich kein Patentrezept oder die Welt danach. Das wollte ich glaube ich gestern auch mit dem Rhythmus andeuten.
Bei Gramsci gibt es einen brauchbaren Aspekt (bei ihm mehr auf die Institutionen des Staates bezogen), dass ein Mensch an dem selben Tag morgens eine Rolle der Macht (Lehrer, Polizei, etc) einnehmen kann und abends sich wohlmöglich gegen diese herrschende Macht verhält (Protest, vielleicht Diebstähle, Gewerkschaften). Wenn man den Zeitraum 'Tag' mal an unseren schnelleren Kommunikationsrhythmus anpasst und 1 Stunde, 10 Minuten, eine Minute beobachtet, findet man heute schnellere Rollenwechsel - behaupte ich mal frei.
Kritik darf natürlich - außer manchmal in diesem selbstvergessenen Blog - kein Selbstzweck sein. Der Zweck hat sich jedoch längst in unsere Handlungen hineingelegt! Auch wenn wir das nicht wollen. Deshalb empfehle ich hier nach viel zu kurzen Texten knapp: Sich selbst wieder als Zweck in diese Welt einzuführen. Nicht getanzt werden, sondern selber Musik machen.
Diese Schizophrenie braucht wohl Ausdauer: Wir werden zwar genauso alt wie früher doch der Rhythmus der Handlungen ist schneller geworden. Um diese rhythmische Ortsgymnastik mit Rollentausch irgendwie auszuhalten, braucht es Persönlichkeit: Da kommt eine gewisse alternative Haltung, die man sich in jungen Jahren erarbeitet hat, zumindest nicht "ungelegen"... :)
'Urteil' und 'Beschreibung' lassen sich in diesem Konzept-Blog leider schwer trennen. Ich urteile eigentlich eher ungerne über Menschen. Wer sich aber in meinen frei erfundenen Geschichten wiederfindet, darf natürlich gerne darüber nachdenken! Das wäre dann mein Spaß an der Sache... vielleicht sogar ein kleines privates Spektakel. ;)
Ein bisschen Spaß muss sein!