Sonntag, 18. Juli 2010

Hippies auf der Reeperbahn

Es gibt Phänomene, vor denen man nur stutzig stehenbleibt und sie auch nach wiederholten Erklärungen anderer einfach nicht fassen kann, nich begreift. Die Hamburger Reeperbahn war gestern Schauplatz des Schlager Move.

Das schöne an St. Pauli ist doch, dass man auf alles, was dort auch sein mag, meist mit voller Wucht trifft. Sollte man mit dem Fahrrad oder zu Fuß ankommen, ist dies sicherlich ein anderes Erlebnis - wenn sich die Menschendichte langsam von außen her aufbaut und man die Reeperbahn als abgeschlossenen Ort überhaupt wahrnehmen kann. Der Normalfall ist jedoch der Aufstieg aus den Katakomben der Station"Reeperbahn" in der sich bereits die Massen versammelt hatten. Partyreste und Ankömmlinge ordnen sich im S-Bahn-Schacht noch ein letztes Mal in 'rein' und 'raus' bevor St. Pauli für alle Vergnügungsreisenden die Ziele multipliziert.

Gestern war es eigentlich wie immer, wenn nicht die auch sonst vielgestaltigen Passanten noch einen Tick verückter gewesen wären. Ich empfand im ersten Augenblick nach dem Aufstieg, die ganze Reeperbahn sei in Plüsch gehüllt: Jede zweite Person - ob Mann oder Frau - war in Rosa gehüllt. Bei näherem Hinschauen wär dieser Eindruck jedoch nicht präzise: Zu dem Rosa gesellten sich Blümchenketten (rosa und schwarz-rot-gold) ein Paar Schlaghosen, Perücken, und freakige Outfits über Kinderröckchen auf Männerhaut und allerlei Gedöns aus Karnelvalskisten: Es war Schlager Move!

Wie mir berichtet wurde, sind wohl vor unserer Ankunft ähnlich der Love Parade Wagen mit Schlager-Musik in St. Pauli gekreist und die Massen aus ganz Deutschlad feierten eine Musikrichtung als Partyanlass, Partyinhalt und gemeinsamen Sinn. Das dieses Potpourri aus WM (gemeinsamer Anlass), Karneval (Verkleidungen), Volksfest (viele vom Dorf aus der Umgebung) und Asi-Disko (dumme Grölsongs) nicht in einer Mallorca-Ecke landete war echt eine Überraschung! Die ganze Repperbahn war gefüllt mit Hippies!

Auch wenn die ganzen Mädels und Jungs mit ihren rosa Oufits mit Schlaghosen sicherlich ein persönliches Experiment in einem aufs WE begrenzten zeitlichen Rahmen unternahmen: Die Stimmung war noch gelassener als sonst, die Jungs hatten ihre Macho-Allüren abgelegt und trugen die Blumenkettchen, die sie sowieso noch von der WM im Schrank hatten, die Mädels Flower-Power-Accessoires mit Kettchen und Brillen und Haarverzierungen und betont lässigen Klamotten sogar bis zur Schlaghose. Eine Freundin erklärte mir auf meine Verwirrung hin, Schlager kämen aus den Siebzigern und deshalb wäre das logisch. Schlager und Hippies?! Völliger Quatsch. Was ist mit der Rockmusik? Was ist mit Psychedelic Rock?! Was ist mit dem ganzheitlichen Denken der Blumenkinder, die nicht zurück ins bürgerliche Leben wollten und die Alternative suchten. Was ist mit dieser Konsequenz das eigene Leben betreffend?

Ich muss zugeben: Beatles waren Schlagermusik: eingängige, popige Melodien mit einfachen eingängigen Texten zum Mitsingen und harmlosen Schwiegersohn-Aussehen (später wurde das natürlich anders: aber da kommen sie her, trotz ihrer modernen elektrischen Gitarren). Auch die Stones haben definitiv Schlagerphasen nach dem gerade beschriebenen Prinzip gehabt. Aber adrette, deutschsprachige Normalo-Mädchen mit dem Kopf noch in den Fünfzigern, die dem piefigen Publikum ein Liedchen trällern können, etwas kokett mit ihrer Weiblichkeit auf der Bühne spielen (von den Typen müssen wir hier wirklich gar nicht reden) aber ansonsten der Welt nichts zu sagen haben als Lebensgefühl den Hippies gleichzusetzen, ist weit hergeholt. Sehr sehr weit.

Was auch immer die Leute gestern getrieben hat: Sie wollten Verkleidungen, sie wollten ein gemeinsames friedliches Fest und Schlager Move mit seinen harmlosen Liedchen und Melodien kam ihnen dafür ganz recht. Morgen beginnt wieder die Woche und die 'Hippies for a day' sind wieder normale Menschen mit Outfit-Korrektheit und bürgerlichem Streben. Trotzdem Danke für Eure Verwirrung: Ich habe es genossen!


Zeit: Mahlzeit!
Zustand:Puh. nicht nüchtern.
Anlass: rosa Hippies und schwarz-rot-gold

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen kritischen Leser in der Auseinandersetzung 'back to their own track' zu kommen. Man beachte hierbei, dass der Kontrollverlust Teil des hiesiegen Konzepts ist. Wir geben uns also zwangsläufig viel Mühe, Kommentare zu provozieren: so hat möglicherweise jeder was von den Drogen! Welcome!

Copyright

Auch wenn es mir widerstrebt, die Nutzung von Wortfolgen durch eine Lizenz zu beschränken, muss ich dies notgedrungen tun. Anlass hierfür ist der Contentklau eines kommerziellen Anbieters, der Ergebnisse des Googlebots als Postings auf seinem Blog ohne Rücksicht auf bestehende Lizenzen veröffentlicht und diese auch noch selber unter cc (by-nc-nd)-Lizenz stellt. Alle Text-Inhalte dieser Seite stehen somit ab sofort und rückwirkend unter creative commons (by-nc-sa).

Als Quelle ist immer "drunken news" zu nennen.

Glücklicherweise war das Weblog, das diesem Verfahren ausgesetzt war, bereits mit einer cc-Lizenz ausgestattet.

Das automatisierte Verfahren des oben genannten Anbieters funktioniert wie folgt: Er ruft aktuelle Sucheingaben bei Google ab (im Falle dieses Blogs z.B. "drunken news"), crawlt den Content des ersten Inhalts/Postings, veröffentlicht diesen auf seiner Seite in quasi-zitierter Form, behauptet, der Content wäre von dem jeweiligen Blogger (mit Namensnennung) auf seiner Seite geschrieben worden, verlinkt den Suchbegriff auf seiner Hauptseite mit dem geklauten Inhalt in seiner Seite. Da seine Seite SE-optimiert ist, werden besonders bei kleineren Blogs seine geklauten Inhalte höher gerankt und führen somit zu Fehlclicks auf die falsche Homepage.