Sonntag, 17. Oktober 2010

Geschickte Türken - getürkte Merkel

Mal ganz spontan: Hochachtung vor der türkischen Diplomatie! Was dort in letzter Zeit an kluger Teilnahme am deutschen Diskussionsthema Integration stattfindet ist überragend: Nichts verändert die Welt mehr als Geschenke. Merkel gleichzeitig eine Bühne zu bieten, und sie doch diskursstrategisch zu entkräften, ist eine Meisterleistung.

Da gab es die Gesten während des Türkeispiels von Erdogan, die einem konservativen und auch nationalistischen Politiker fast unwürdig waren: Wettete Merkel noch etwas chauvinistisch auf ein 2:1 für Deutschland war Erdogan ganz Diplomat: "Das bessere Team möge gewinnen." - als wäre er der Gastgeber des Abends. Er lobte Deutschland und die guten Beispiele für Integration ohne Forderung und Schuldzuweisung und schenkte Deutschland etwas, was wir einfach nicht hinbekommen ohne auf die "Du-bist-Schuld-integrier-Du-doch"-Mauer zu stoßen: Er formulierte das Ideal für die Deutschen türkischer Herkunft, sich in dieser deutschen Gesellschaft zu integrieren. Eine unglaubliche Kehrtwende, hatte Erdogan im Wahlkampf in Deutschland noch mit aller rethorischer Kraft polemisiert, es sei ein Menschenrecht seine Herkunft niemals zu vergessen und die Integrationsdebatte selber befeuert.

Der Wahlkampf scheint vorbei. Auch wenn es in Deutschland differenzierte Debatten über unsere Multikulti-Gesellschaft, den Islam als einer Lebensform unter vielen und der Verfassungskonformität der meisten Spielarten des Islams gibt: die deutschen Medien interessieren gerade die ungebildeten, familiär isolierten Menschen aus der Türkei überhaupt nicht. Der Dienst Erdogans ist also riesig, dass er dieses Event (Länderspiel), das eigentlich ein Moment größter nationalistischer Auswüchse und Identifikation ist, dazu nutzt, den Türkischstämmigen ins Stammbuch zu schreiben, dass sie ihre Kinder ausbilden sollen und deutsch sprechen sollten. Auf dieser normativen Ebene erreicht man so manchen kurdischen und anatolischen Bauern mit deutschen Medien einfach nicht.

Jetzt hat Staatspräsident Gül in einem Interview sogar noch nachgelegt: Er hätte Özil, hätte dieser ihn um Rat gebeten, empfohlen für die deutsche und nicht die türkische Nationalmannschaft zu spielen. Und er zieht die Toleranzkarte: Die große Nationen und Länder hätten natürlich mehrere Religionen und Kulturen und müssten damit umgehen, wenn sie sich als solche verstünden. Auf einmal ist die Türkei das Land, das mit der Moderne lockerleicht umgehen kann und sich darüber in saladinischer Weise definiert, dass es Multikulti ist. Ein großartiger rethorischer Griff, der den deutschen Konservativen keinen Boden mehr lässt. Der Anspruch an die Türken in Deutschland wird sogar höher gehängt als an Schwaben, Bayern und Sachsen: man solle sogar akzentfrei Deutsch sprechen! Hört hört! Warum stößt die Instinktpolitikern Merkel wohl in das Anti-Multikulti-Horn? Schonmal drüber nachgedacht? Weil sie die Kontrolle über den Diskurs verliert. Das sonst so profillose Merkel-Original wird getürkt, braucht die Schärfe für die Schäfchen der deutschen Mitte. Wenn diese die Angst vor den Moslem verlieren, hat sie auf den falschen Wolf gesetzt.


Natürlich sind diese türkischen Geschenke einer eigentlich islamisch-konservativen Partei mit einem Ziel verbunden. Sie wissen, dass die Aufnahme der Türkei in die EU an der CDU/CSU scheitert. Deutsche Innenpolitik entscheidet also über die Zukunft der Türkei. Die Türken in Deutschland können mit ihrem Verhalten und ihrem Willen, sich aus ihrer gesellschaftlichen Isolation zu befreien, also Weltpolitik machen! Mal schauen, ob sie das verstehen und dort auch Signale folgen. Hierzu müssten sie stärker mit der deutschen Öffentlichkeit kommunizieren und bräuchten natürlich auch in der Opposition Verstärker, die den Seehofer-/Merkel-Kurs und Diskurs gegenüber Nicht-Christen die Basis entziehen. Ich bin gespannt. Bessere türkische Diplomatie kann sich mein Kopf im jetzigen Zustand auf jeden Fall nicht vorstellen..


Zeit: vor der Reise des deutschen Präsidenten in die Türkei
Zustand: nur leicht angetrunken.
Anlass: Merkel in der Falle.

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