Wieder mal einer dieser Zustände, in denen ich lieber nicht schreiben sollte. Aber woher kommt eigentlich dieses "sollte"? Ich persönlich kenne inzwischen viele seiner Ebenen und komplexen Bedingungsgefüge und durfte mein Wissen damals sogar durch ein Studium veredeln. Der Kleinenwahn in ängstlichen Köpfen ist Teil dieser Geschichte, liebe nüchterne Denker. Die Kultur besteht nun mal aus Gesten.
Aus Gesten? Nicht Strukturen und Richtig und Falsch? Ja: Wir müssen den Glauben daran, dass Kultur wohlmöglich etwas speicherbares, fixes oder ein System ist, überwinden. Dies war nur eine Phantasie der Wissenschaft, die nunmal einen stabilen Untersuchungsgegenstand brauchte. Dies war die Phantasie, bayerischer Könige, die ihre Lakaien ausschickten, alle Volkslieder und Bräuche des Volkes aufzuschreiben, um darauf eine eigene, festumrandete Kultur für ihr Reich zu behaupten. Dies war die Phantasie eines neuen Bürgertums, das die Wilden in den Kolonien ebenso wie die Armenviertel in den Städten wie Biotope mit niederer Kultur betrachten wollte. Die ethnologische Kulturwissenschaft produzierte Ergebnisse à la "so sind sie, so funktionieren sie". Wer möchte, darf sich auch mal mit Quantenphysik beschäftigen: Same Story.
Die Ethnologie hat sich indes von seiner Vergangenheit distanziert. Das Problem des Verstehens Anderer menschlicher Wirklichkeiten hat ihre Objektivität zerstört. Sie ist damit intellektuell weiter als viele Nachbardisziplinen. Es waren quasi jene ehemals "Wilden", die der Wissenschaft die objektive Transparenz austrieben. Wir nennen diesen Selbstzweifel heute 'Postcolonial Turn': Die Unterordnung der vollständigen menschlichen Welt unter eine objektive Perspektive scheiterte intellektuell.
Dass der Wunsch nach Transparenz durch mächtige Korporationen - wie den Staat oder Unternehmen - damit nicht beendet war, weiß jeder Schützer seiner privaten Daten. Dafür braucht es keinen Ethnologen. Ich würde trotzdem vorschlagen, das obige Beispiel mit den "Wilden", die man nicht objektiv verstehen kann, zu übertragen: Kultur heißt Sperrigkeit. Der Blick der Facebook- und Google-Ethnologen lastet auf uns jeden Tag, und alles, was sie nicht verstehen, was sich ihrem Wissensdurst entzieht, ihre Kategorien unterläuft, ihre Nutzung pervertiert, ist eine Kultur, in der das Menschliche noch klüger ist als der Scanner, die Maschine. Das ist nicht trivial, sondern die einzige Utopie, die der Mensch noch hat: dass Kultur klüger als Infrastruktur und Systeme ist. Wer mir hierin nicht folgen will, darf weiter gegen Computer Schach spielen und als Bauer durch die Welt gehen.
Das "Sollen" ist normativ. Dass ich nicht schreiben "sollte", wenn ich betrunken bin, gehört zu einem veralteten Wahrheitsglaube, der nur eine An-Sicht kennt und in uns keine Widersprüche sehen will. Dass wir mehr als ein einziger Klarname sind, kommt vielen einfach nicht gelegen. Dies ist quasi mein Beitrag zur Sperrigkeit: das shizophrene Manöver.
Zeit: überall auf der Welt anders...
Zustand: unkolonisiert.
Anlass: Der Erfolg der glatten Menschen.
DISKURS: Kant zu Moral, Natur und Freiheit
vor 4 Tagen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen kritischen Leser in der Auseinandersetzung 'back to their own track' zu kommen. Man beachte hierbei, dass der Kontrollverlust Teil des hiesiegen Konzepts ist. Wir geben uns also zwangsläufig viel Mühe, Kommentare zu provozieren: so hat möglicherweise jeder was von den Drogen! Welcome!