Samstag, 20. März 2010

Rollentausch im Arbeitsamt

Um dem letzten negativen Beitrag direkt einen positiven entgegenzusetzen: eine amüsante Anekdote aus dem Arbeitsland der deutscher Ämter. Mein gestriger Auftritt hatte im nachhinein schon fast etwas von einer Kunstperformance: Ich habe mir huldigen lassen und wusste nicht, wie mir geschah..

Gestern sind zwei vermeintliche Naivitäten aufeinandergeprallt, die Westerwelle gar nicht gefallen würden. Schauplatz war die Arbeitagentur, üblicherweise ein Ort der Ideologie-Indoktrinierung einer politisch geforderten "Arbeitsgesellschaft".

Ich hatte mich arbeitslos gemeldet und hätte ab nächsten Monat Arbeitslosengeld bezogen. Nachdem ich dreimal aus verschiedenen Gründen (Meldung, neues Kündigungsdatum, Arbeitsgesuch) vorgesprochen hatte und immer mit verschiedenen Leuten zu tun hatte, sollte ich nun meine Sachbearbeiterin kennenlernen. Dass unser erstes "Arbeitstreffen" :) direkt meine "Kündigung" bei der Agentur zum Thema hatte, sorgte bei ihr zu Beginn unseres Gespräches bereits für eine lange Leitung. Noch nach dem "Statusänderungsformular" in meiner Mappe wühlend, erklärte ich ihr auf ihre Nachfrage hin, dass ich 500€ verdienen würde. "Als Nebenjob, also?" Dies war mehr eine rhetorische Frage ihrerseits. "Nein." Sie merkte auf. "Wieviele Stunden arbeiten sie denn? Über 15 die Woche?""40."Langsam dämmerte es ihr, dass hier irgendetwas komisch war."Es ist halt nen Praktikum" legte ich nach. Es war das erste mal, dass ihr Blick auf mich kein unbeteiligter blieb (auch wenn sie durchweg freundlich auftrat). "Sie arbeiten 40 Stunden die Woche für 500€"."Ja. Ich wollte von Ihnen wissen, wieviel nach Abgaben davon übrig bleibt und ob es ne Möglichkeit gibt aufzustocken oder so."Ihr Blick veriet, dass gerade eine kleine Welt bei ihr Zusammenbrach. Sie wiederholte ihren letzten Satz und ergänzte ihn um die Frage, welcher Arbeitgeber das sein solle. Den Namen des Arbeitgebers abschätzig-fragend wiederholend fand sie immer noch keinen Punkt der Routine, der unser Gespräch irgendwie weiter brachte. Auch der Bildschirm schien ihr Erschrecken nicht zu mildern (wahrscheinlich hatte sie gerade meinen Magisterabschluss gesehen). "Dann werden sie ja gar nicht arbeitslos! Sie haben ja bisher gar keine Keistungen bezogen!" Danach wirkte sie sehr verwirrt und bat mich um eine Auszeit.

Nach langem empörten Murmeln und etwas Wut im Bauch kam sie von ihrer Kollegin hinter der Trennwand wieder und gestand mir, dass sie sich das "gerade mal von der Seele reden musste". Ich würde ja weniger verdienen, als wenn ich arbeitslos bliebe! Sie würde niemals für dieses Geld arbeiten! Nachdem ich ein Paar Keywords wie 'Generation Praktikum' und einen Spruch wie "Man muss halt den Humor behalten" erklärend in den Raum stellte, war auch ihre Kollegin inzwischen von ihrem Arbeitsplatz aufgestanden, um mich zu bestaunen.

Es wurde dann sehr betriebsam. Es wurde mir eindringlich gasagt, ich solle mich bloß nicht beim Job-Center abwimmeln lassen: die Kollegen wären dafür bekannt. Es wurden Infomaterialien und Tipps verteilt und als ich die Arbeitsagentur bereits 15-20 Minuten verlassen hatte, wurde mir sogar hinterhertelefoniert, man könne mein Arbeitsgesuch mirzuliebe einfach laufen lassen, damit ich mich nicht erneut melden müsse, wenn das Praktikum vorbei sei.

Am schönsten war jedoch der Satz, mit dem sie mich verabschiedete: "Ich verneige mich vor Ihnen, Herr Michels!" Diese Hochachtung/ Sympathie beruht jedoch auf Gegenseitigkeit: Wir beide waren zwei Menschen, die Westerwelles Gehässigkeit im Herzen nicht entsprachen. Ihre Naivität bezüglich der 'Generation Praktikum' und ich als Absurdität des homooeconomischen Denkens hatten der Logik getrotzt. Sie war nicht der politische Kommisar, der mich zu jeder Arbeit zwingen wollte, die auch nur einen Euro brachte; und ich war zugunsten einer 40-Stunden-Woche mit Niedrigstlohn nie Leistungsempfänger gewesen. Wohl fühlten wir uns beide nach dieser Anekdote - soweit ich für sie sprechen darf - trotzdem nicht: Wir hatten die Rollen nur getauscht. Die Ausbeutung bleibt die gleiche.


Zeit: entspannte 1
Zustand: habe mich nüchtern geschrieben
Anlass: Wollte das Blog nicht negativ enden lassen

2 Kommentare:

  1. Na das ist ja tatsächlich schon fast rührend. Einzig steht die Frage im Raum, warum es eine "drunken news" geworden ist. Hast Du Dir vorm Besuch beim Amt zwei Halbe gegönnt um vor Ort nicht zu sehr aus der Rolle zu fallen?

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  2. Haha! War nicht schlecht, der Kommentar! Anekdote ging mir nicht aus dem Kopf, da sie gegen die meisten Darstellungen unserer Ämter schreit.. und an den realen Arbeitsmarktproblemen doch nichts ändert.

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Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen kritischen Leser in der Auseinandersetzung 'back to their own track' zu kommen. Man beachte hierbei, dass der Kontrollverlust Teil des hiesiegen Konzepts ist. Wir geben uns also zwangsläufig viel Mühe, Kommentare zu provozieren: so hat möglicherweise jeder was von den Drogen! Welcome!

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Als Quelle ist immer "drunken news" zu nennen.

Glücklicherweise war das Weblog, das diesem Verfahren ausgesetzt war, bereits mit einer cc-Lizenz ausgestattet.

Das automatisierte Verfahren des oben genannten Anbieters funktioniert wie folgt: Er ruft aktuelle Sucheingaben bei Google ab (im Falle dieses Blogs z.B. "drunken news"), crawlt den Content des ersten Inhalts/Postings, veröffentlicht diesen auf seiner Seite in quasi-zitierter Form, behauptet, der Content wäre von dem jeweiligen Blogger (mit Namensnennung) auf seiner Seite geschrieben worden, verlinkt den Suchbegriff auf seiner Hauptseite mit dem geklauten Inhalt in seiner Seite. Da seine Seite SE-optimiert ist, werden besonders bei kleineren Blogs seine geklauten Inhalte höher gerankt und führen somit zu Fehlclicks auf die falsche Homepage.