Samstag, 9. Juli 2011

Twitter, eine Medienkultur

Wer es noch nicht mitbekommen hat: ich habe meine Twitter-Karriere vorläufig beendet. Grund genug, noch einmal meine Erfahrungen in einen Text zu raffen. Auch, damit das halbe Jahr neben den Erlebnissen einen sichtbaren Wert bekommt - zumindest für die Spiellosen außerhalb von Twitter.

Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Problem mit Polemik und subjektiver Perspektive habe: Sie sind quasi das Verdrängte von Wissenschaft und Journalismus. So sehr die Tweets auch Headlines ähneln: wer statementlose 140 Zeichen verfasst, könnte doch auch retweeten... Das Positionieren ist eine der Grundübungen auf Twitter und dies hat mir immer gefallen.

Ich glaube, der allgemein fälschliche Eindruck, dass es auf Twitter um die Verbreitung von Links geht, hat einen simplen Grund: Neueinsteiger suchen nach solchen Linkschleudern und finden dann auch nichts anderes. Diese Selfulfilling Prophecy wird noch dadurch unterstützt, dass immer die gleichen Ikonen angesteuert werden, die dann effektiv als die wenigen Charakterköpfe und Meinungsführer wahrgenommen werden. Ihr Blinden, Leichtgläubigen, Aufschauer, Menschenunterschätzer! Ich bin zum Glück einen anderen Weg gegangen.

Twitter wird also von einigen als unlustiges Instrument betrachtet, mit dem man - ganz nach Twitter-Slogan - seinen Interessen folgt und nah an ernsten Themen abseits des Agendasettings der Leitmedien sein kann. Alles Quatsch. Wenn ein Medium kein Instrument ist, dann Twitter. Dies beginnt schon damit, dass man nichts nachlesen kann, dass Twitter außer Trends nichts für Dich sammelt. Twitter wartet nicht auf dich und fordert unablässig Interaktion, um einen Sinn zu haben. Ein "Hilfsmittel" sieht anders aus...

Wenn man Twitter - wie ich - nach Selbstständigem durchsucht, so stößt man zwangsläufig auf Sprachspieler. Einen Eindruck, eine Meinung, eine Ironie in 140 Zeichen bringen zu müssen, macht kreativ. Überhaupt ist Twitter meiner Meinung nach das Medium mit dem höchsten Grad an Selbstreflektion und damit Medienkompetenz. Wer keine ironischen Tweets über die 140 Zeichen, Gesten der Geste wegen oder Prokrastinationstweets gesendet hat, ist nie auf Twitter angekommen. Es wimmelt geradezu von Spielen mit dem Medium. Das, was mancher vielleicht als Unsinn betrachtet, würde ich jedem möchtegern-aufgeklärten Bürger wünschen: Medienpraxis (von Humor und Konfrontation ganz zu schweigen).

Was gibt es denn nun Schlechtes zu berichten neben Zeitaufwand, Prokrastination und Verschwendung der eigenen Energien? Sicherlich, dass die Kultur des Weiterleitens, die der Retweet ein mal verkörperte, relativ ausgestorben ist. Er wurde durch das Feedback, das Faven ersetzt. Sei es, weil man das eigene Profil sauber halten möchte oder weil der Nachrichtenwert eines Wortspiels zu gering ist. Letzteres ist manchmal schwer vorstellbar, wenn man sich die Retweetrate Etablierter bei Wortspielen und Statements anguckt.

Ich selber habe mich mit meinem Namen "Feedforth" immer dem Weiterleiten verpflichtet gefühlt. Ich habe noch ein zwei andere gefunden, die eine ähnliche Philosophie hatten - von über 200 Followern. Vielleicht waren auch die Tweets grottenschlecht :). Als Ausgleich gibt es immer noch den FollowFriday und das Nachfaven. Der Retweet ist trotzdem tot. Diese Polemik erlaube ich mir hier. Twitter unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht vom realen Leben, vom RL. Soviel mein Zwischenfazit. Ich komme auf jeden Fall wieder, wenn das reale Leben es wieder erlaubt! :)


Zeit: nach dem Tweet ist vor dem Tweet
Zustand: nachtrinklich
Anlass: Ein weiterhin bedauerter Abschied

2 Kommentare:

  1. Na dann nutz ich den Kommentar hier mal um ganz altmodisch Happy Birthday zu wünschen - dies geht an den Autor des vorliegenden Blogs, welches eigentlich den Untertitel "New Economy reloaded" verdient hätte. Think about it! (or tweet about it)
    Scherz beiseite, hoffe Du feierst zünftig und wir sehen uns die Tage, hab ab kommenden WE auch Urlaub und werde den in Form einer Rundreise durch unser schönes Land verbringen, denk ich.

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  2. Danke für die Glückwünsche! Das mit der New Economy kannst du mir dann noch mal genauer erklären.. :) Das ist ja mindestens zweideutig! Melde Dich ruhig! Würde mich freuen..

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Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen kritischen Leser in der Auseinandersetzung 'back to their own track' zu kommen. Man beachte hierbei, dass der Kontrollverlust Teil des hiesiegen Konzepts ist. Wir geben uns also zwangsläufig viel Mühe, Kommentare zu provozieren: so hat möglicherweise jeder was von den Drogen! Welcome!

Copyright

Auch wenn es mir widerstrebt, die Nutzung von Wortfolgen durch eine Lizenz zu beschränken, muss ich dies notgedrungen tun. Anlass hierfür ist der Contentklau eines kommerziellen Anbieters, der Ergebnisse des Googlebots als Postings auf seinem Blog ohne Rücksicht auf bestehende Lizenzen veröffentlicht und diese auch noch selber unter cc (by-nc-nd)-Lizenz stellt. Alle Text-Inhalte dieser Seite stehen somit ab sofort und rückwirkend unter creative commons (by-nc-sa).

Als Quelle ist immer "drunken news" zu nennen.

Glücklicherweise war das Weblog, das diesem Verfahren ausgesetzt war, bereits mit einer cc-Lizenz ausgestattet.

Das automatisierte Verfahren des oben genannten Anbieters funktioniert wie folgt: Er ruft aktuelle Sucheingaben bei Google ab (im Falle dieses Blogs z.B. "drunken news"), crawlt den Content des ersten Inhalts/Postings, veröffentlicht diesen auf seiner Seite in quasi-zitierter Form, behauptet, der Content wäre von dem jeweiligen Blogger (mit Namensnennung) auf seiner Seite geschrieben worden, verlinkt den Suchbegriff auf seiner Hauptseite mit dem geklauten Inhalt in seiner Seite. Da seine Seite SE-optimiert ist, werden besonders bei kleineren Blogs seine geklauten Inhalte höher gerankt und führen somit zu Fehlclicks auf die falsche Homepage.