Jeder kennt den Moment im Leben, in dem man merkt, dass die Sau durchs Nachbardorf und nicht durchs eigene getrieben wird. Meist ist dieses Nachbardorf ein Jugendcamp mit Werbebannern und Medien einer sehr jungen, beeinflussbaren Zielgruppe. Beispielsweise haben die deutschen Musiksender schon so einige Säue hervorgebracht.
Denken wir an Gülcan, Eni van de Künstlername, den neuen Schönling von Viva ohne Namen oder dieses sich selbstbestätigende Duo Claaß und Lulatsch: Pädophile Popstars, denen der künstliche Applaus von orientierungslosen Pubertierenden irgendwie zu Kopf gestiegen ist. Es ist echt immer wieder interessant, dass sich diese Menschen irgendwann tatsächlich ernst nehmen.
Welchen Humor kennen diese Personen? Sie wissen um das Lächeln, Sie wissen um die Gehässigkeit, sie wissen um die Charts als Mittel ihres Ich-Hypes. Doch welche Aufregung und Unterhaltung produzieren diese Normalos, die Christian Ulmen, Nora Tschirner, Schlingensief, Raab und Charlotte R. verdrängt haben? Ihre Freakness ist allein die Selbstherrlichkeit, das Selbstlob, die Huldigung des eigenen Selbstzwecks in der zufälligen Rolle eines Moderators. Sie sind das, was viele Teenies suchen: Das simulierte Bewusstsin der eigenen Wichtigkeit - basiere dieses nun auf einem Job in den Medien, auf einer gespielten Besonderheit der Persönlichkeit oder der Lässigkeit, die eigene Nichtszusagenheit lange genug über das Mundöffnen ergänzt durch einbrechende Programmereignisse zu vertuschen.
Die meisten dieser Säue sind Erscheinungen der Verlegenheit, die als Projektionsfläche für junge Menschen funktioniert. Das Wohlfühlkonzpt der Jugendsender ist ein Nest aus "Ich-weiß-auch-nicht-warum-mich-gerade-alle-angucken"-Gehabe, das sie mit Kameras begleiten und mit klatschendem Studiopublikum beleben.
Das nun aber diese Kameranuckler wie Claaß-Mensch und sein Vogel versuchen in Gosejohann-Manier (der immerhin das Rocken früh in seinem Leben geübt hat) Streetcomedy zu machen, hat mit der normalen Selbstüberschätzung nichts mehr zu tun. Diese Menschen, die es gewohnt sind, dass ihr pures Auftreten von ihrem üblichen U14-Publikum schon als irgendwie cool und lustig wahrgenommen wird, haben keinen Straßenhumor. Dass beide als Duo unterwegs sind, ist hier schon bezeichnend: Wenn sie sich nicht gegenseitig bestätigen würden, müssten sie vielleicht schon am Set einsehen, dass niemand über sie lacht.
Gosejohann versucht zu provozieren und Tabus in der Öffentlichkeit anzugehen und macht sich dabei auch ohne Umschweife über sich selbst lustig. Auch Elton, der eigentlich nicht lustig ist, macht sich über sich selbst lustig. Die neuen Säue des Jugenfernsehens sind jedoch seit ihrer Existenz - wie oben beschrieben - damit beschäftigt irgendwie selbstbelustigt daherzukommen und nicht mehr fähig, sich selbst oder andere zu riskieren. Wenn sie mir in der Stadt begegnen würden: ich würde Zeit damit verschwenden, irgendeine Identität, eine Authentizität in ihren Augen zu erkennen und würde ihnen mitleidig mit auf den Weg geben, dass es jeder schaffen kann: Auch sie! Doch die Biographien dieser Menschen kennen kein Scheitern. Wahrscheinlich sind sie sogar stolz auf sich selbst und glauben, etwas Wirkliches zu sein.
Zeit: während der ProSieben-Show
Zustand: unglaublich gelangweilt von den Säuen im Nachbardorf und angetrunken.
Anlass: Claaß und der andere mit dem Mikrophon und dem Möchtergern Alternative-Style
DISKURS: Kant zu Moral, Natur und Freiheit
vor 4 Tagen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen kritischen Leser in der Auseinandersetzung 'back to their own track' zu kommen. Man beachte hierbei, dass der Kontrollverlust Teil des hiesiegen Konzepts ist. Wir geben uns also zwangsläufig viel Mühe, Kommentare zu provozieren: so hat möglicherweise jeder was von den Drogen! Welcome!